Ein Obama ist nicht in Sicht

Reden gehören zum Wahlkampf einfach dazu. Doch in Deutschland sind die Männer und Frauen für große Worte rar geworden, findet der Etzbacher (Kreis Altenkirchen) Redensammler Wolfgang Heinrich.

von Daniel Weber

Welche Zitate wünscht sich der Redensammler für den Rest-Wahlkampf? Heinrich fordert plakativ den DSL-Ausbau („Eine Datenautobahn für jedes Kuhdorf“) und eine Reform der Lehrerausbildung („Wir brauchen nicht mehr Lehrer, sondern andere“). Foto: D. Weber
Welche Zitate wünscht sich der Redensammler für den Rest-Wahlkampf? Heinrich fordert plakativ den DSL-Ausbau („Eine Datenautobahn für jedes Kuhdorf“) und eine Reform der Lehrerausbildung („Wir brauchen nicht mehr Lehrer, sondern andere“). Foto: D. Weber

John F. Kennedy bekannte sich als Berliner – und brachte selbige damit in Ekstase. Willy Brandt wollte schlicht „mehr Demokratie wagen“ und Barack Obama brauchte ganze drei Wörtchen, um seinen Landsleuten Mut zu machen: „Yes, we can!“ Obama selbst konnte auch – und zog weniger später ins Weiße Haus ein. Wer allerdings nach dem 27. September im Bundeskanzleramt regieren darf, ist noch offen. Klar scheint aber schon jetzt: Große Worte wird sie (oder doch er?) dafür nicht gebraucht haben.

 

Einer, der den bisherigen Bundestagswahlkampf so richtig langweilig findet, ist Wolfgang Heinrich. „Kampf“, sagt der 68-Jährige aus Etzbach (Kreis Altenkirchen), „Kampf hat doch auch immer etwas mit Emotionen zu tun.“ Und die, so findet er, kommen im blutleeren, politischen Wortgefecht anno 2009 einfach zu kurz. Der pensionierte Schulleiter hat ein ungewöhnliches Hobby: Auf seiner Internetseite (www.wolfgangheinrich.de) sammelt er seit Kurzem Reden – von Brandts legendärer Regierungserklärung 1969 bis hin zu Kurt Becks nüchternen Anmerkungen zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag 2009. Minister, Landesfürsten, Abgeordnete, internationale Staatsmänner: Heinrichs Zusammenstellung ist ein Kaleidoskop der politischen Rede – und Heinrich selbst ein politischer Mensch. Gerade deshalb fehlen ihm im bisherigen Wahlkampf klare Stellungnahmen zu den wichtigsten Themen und etwas mehr Schärfe. „Es muss ja nicht gleich ausarten.“

 

Einer, der Heinrich noch fasziniert, ist Barack Obama. Die Kairo-Rede des US-Präsidenten zum Islam war das erste „Fundstück“ in seiner Sammlung. Wenig aufregend in der Sprache zwar, aber bedeutend in ihrer Tragweite. Heinrich sieht in der Rede die archaischste Form, viele Menschen gleichzeitig anzusprechen, sie von etwas zu überzeugen. Eine weitaus moderne ist das World Wide Web. Wolfgang Heinrichs Idee war es, beide miteinander zu verbinden. „Jung und fit gebliebener Oldie versucht aktiv, die Möglichkeiten des Internets kreativ und sinnvoll zu nutzen“, stellt sich Heinrich auf seiner Seite vor. Beigebracht hat er sich das alles selbst. 2006 eröffnete er sein eigenes Weblog, 2007 fing der frühere Lehrer damit an, Abiturreden zu sammeln – als Spiegel jener (Schul-)Zeit, in der sie gehalten wurden. „Die Reden junger Menschen sind meist mit viel Herzblut geschrieben, heutzutage aber leider auch oft behutsam unkritisch“, berichtet Heinrich. Die Gaudi bei der Klassenfahrt wichtiger als die Kritik am Bildungssystem? Vielleicht eine Parallele zu den derzeit eher seichten Ansprachen vieler Politiker.

 

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